Blickpunkt 07:Planung "Stuttgart 21" (CD-ROM STADTKLIMA
21)Das Projekt Stuttgart 21 ist im Hinblick auf die Umweltsituation sowohl mit Risiken als auch mit neuen Chancen verbunden Um die denkbaren Risiken minimieren und die neuen Chancen einer umweltgerechten Stadtentwicklung nutzen zu können, werden die eisenbahn- und stadtbaulichen Planungen für das Projekt Stuttgart 21 durch eine Vielzahl von Umweltuntersuchungen und -erhebungen vorbereitet und gutachtlich begleitet. Zur Prüfung der Auswirkungen der Planung auf die Luft-, Klima- und Lärmsituation hat der Gemeinderat die erforderlichen Geldmittel für ein umfangreiches Untersuchungsprogramm bewilligt, das vom Amt für Umweltschutz, Abteilung Stadtklimatologie unter dem Projektnamen "Stadtklima 21" koordiniert wird. Es umfasst Messungen, Modellberechnungen und Windkanalversuche, mit deren Hilfe Planungsvarianten mit dem heutigen Ist-Zustand verglichen und optimiert werden können.
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Rahmenplan Stuttgart 21
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| Abb. 1: Tage mit Hitzestress
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| Abb. 2: Infrarotaufnahme Abend
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| Abb. 3: Infrarotaufnahme Morgen
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Bis zu 30 Tage Wärmestress!Stuttgart hat ein mildes sehr windschwaches Klima. Diese Eigenschaften der Klimaregion werden durch die Lage des Stadtkerns in einem Talkessel mit hoher Bebauungsdichte noch verstärkt Der dadurch bedingte Ventilationsmangel der Innenstadt verursacht u.a. auch das Aufkommen sommerlicher Schwüle. Die Abbildung 1 zeigt dazu die mittlere jährliche Anzahl der Tage mit Wärmebelastung als Ergebnis einer Berechnung des Deutschen Wetterdienstes. Danach muss man in weiten Teilen der innerstädtischen Kessellage mit rund 30 Tagen Wärmestress im Jahr rechnen. Im Rosensteinpark und im Schlossgarten sowie im Bereich des Pragfriedhofs reduziert sich diese Zahl auf etwa 22 Tage. Neben Parkanlagen und Grünflächen sind es vor allem die für Stuttgart typischen Berg- und Talwindsysteme, die der Neigung zu Schwüle und Luftstagnation entgegenwirken. Sie machen sich als nächtliche Kaltluftabflüsse bemerkbar und entstehen durch Temperaturdifferenzen zwischen dem Stadtrand und der tiefer gelegenen "städtischen Wärmeinsel" der City, wobei die Höhenunterschiede im Stuttgarter Stadtgebiet immerhin mehr als 300 Meter betragen. So gibt es im Stadtgebiet viele Frischluftschneisen - allen voran das Nesenbachtal (Kaltental) - deren Kenntnis eine wichtige Grundlage der Stadtplanung ist.
Die flugzeuggestützte lnfrarot-Thermographie lässt ein Bild der momentanen Temperaturverteilung an der Erdoberfläche entstehen. Die Abbildung 2 und die Abbildung 3 geben ein Beispiel für die Oberflächentemperatur in Stuttgart während einer klaren Sommernacht. Den Farbabstufungen von rot (warm) nach blau (kalt) kann der Verlauf der nächtlichen Abkühlung vom Abend (Abbildung 2) zum Morgen (Abbildung 3) entnommen werden. Mit seiner starken Abkühlung bietet das Feuerbacher Tal das Musterbeispiel einer Frischluftschneise. Aber auch in der Innenstadt, die sich als wahrer Speicherofen präsentiert, gibt es Hinweise auf Kaltluftzuflüsse aus dem Nesenbachtal. Stark abgekühlt haben sich die Bahnanlagen im Vorfeld des Hauptbahnhofs mit der Gleisharfe des Abstellbahnhofs. Dies deutet darauf, daß ausgedehnte Bahnanlagen mehr dem Klimatyp der Freiflächen ähneln als dem dichter städtischer Bebauung.
WindverhältnisseDer Wind bestimmt die Ausbreitung von Luftschadstoffen und ist deshalb sehr bedeutsam für die Iufthygienischen Verhältnisse der Städte. Bedingt durch die Topographie kann für Stuttgart keine einheitliche Windverteilung angegeben werden. Die Windverhältnisse werden wesentlich geprägt durch tagesperiodische lokale Windsysteme, die bei der herrschenden Wind- und Austauscharmut von Bedeutung sind Nachts auf höher gelegenen Freiflächen produzierte Kaltluft fließt als Berg- beziehungsweise Hangabwind talwärts. Tagsüber versiegt der Kaltluftfluss, häufig kommt es gar zu einer Umkehr der Windrichtung.
Gemäß Modellberechnungen sind in Bezug auf die Planung Stuttgart 21, wie die Abbildung 4 verdeutlicht (die Pfeilgröße ist ein Maß für die Kaltluftmenge), die Wartberg-/Steinberg-Klinge, die Eckartshalde und die Mönchhalde als Gebiete mit bodennahen Kaltluftflüssen von Bedeutung. Ferner erfolgt von Südwesten starkes Einströmen von Kaltluft aus dem Nesenbachtal und aus der Gegenrichtung mit Ursprung im Rosensteinpark und Neckartal. Diese Strömungen reichen bis etwa 50 Meter Höhe.
Neben den Kaltluftflüssen ist auch die kleinräumige Veränderung des überregionalen Windes (zum Beispiel Kanalisierung in einem Tal) von Bedeutung. Erst die Überlagerung beider Effekte ergibt die wirkliche Windrichtungsverteilung (Windrose). Im Plangebiet Stuttgart 21 (Abbildung 5) ist die Kanalisierung des Nesenbachtals in der Talachse zu erkennen. Im Plangebiet selbst sind durch den Einfluss der lokalen Kaltluftflüsse alle Windrichtungen häufiger belegt.
Die Abbildung 6 dokumentiert die wesentlich durch den Verkehr geprägte Schadstoffbelastung im Gebiet Stuttgart 21 anhand der mittleren Benzolkonzentration. Deutlich erkennbar sind die Belastungsschwerpunkte in den Straßenräumen, während abseits der Straßen wesentlich niedrigere Konzentrationen vorhanden sind.
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Abb. 7: Planungs- empfehlungen
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Luftströme nicht behindern!
Die sich aus den stadtklimatischen Zusammenhängen ergebenden Planungsempfehlungen (Abbildung 7) betreffen die Notwendigkeit, zum Ausgleich für zusätzliche Baumassen den Rosensteinpark und das schmale Band des Schlossgartens aufzuweiten und die Durchlüftung im Zuge der Tallängsachse keinesfalls zu verschlechtern. Auch sollten die kleinräumigen Frischluftströme von der Wartberg-/Steinbergklinge über das zu rekonstruierende Störzbachtal, von der Eckartshalde über den Pragfriedhof und von der Mönchhalde über den Bereich Türlen-/Tunzhofer Straße im Plangebiet Stuttgart 21 wirksam werden können.
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| Abb. 8: Fesselballon- aufstiege
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Die durch Modellberechnungen gewonnenen stadtklimatischen Erkenntnisse müssen durch lufthygienisch-meteorologische Messungen vor Ort ergänzt und verifiziert werden, Dazu gehören die Einrichtung einer zusätzlichen Luftmessstation im Bereich des Paketpostamts bei der Ehmannstraße im März 1996, die Messfahrten sowie meteorologische Fesselballonaufstiege (Abbildung 8) und Tracergasversuche.
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Abb. 9: Ausbreitungs- modell
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Mit dem Abschluss des städtebaulichen Gutachterverfahrens im Oktober 1996 und der Empfehlung der Gutachterkommission begann die Phase der Detailuntersuchungen mit Optimierung von Planungsvarianten: Die im Windkanal am maßstabsgetreuen Modell vorgenommenen aerodynamischen Messungen geben Auskunft über die durch künftige Bebauung zu erwartenden Veränderungen der Windverhältnisse und der Ausbreitung von Luftschadstoffen. In Abbildung 9 sind dazu die Ergebnisse einer Versuchsreihe abgebildet, die bei Anströmung des Bebauungsmodells aus Südwesten Lage und Intensität besonders zugiger Bereiche aufzeigt.
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| Abb. 10: Modell im Windkanal
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Durch Austausch oder Abänderung der Modelle im Windkanal (Abbildung 10) ist es möglich, stadtklimatisch günstige Bebauungsformen zu entwickeln und Vergleiche mit dem heutigen lstzustand anzustellen.
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© Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, Abt. Stadtklimatologie |