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Untersuchung der lokalen Temperaturverhältnisse im Stuttgarter Talkessel aufgrund von Temperaturmeßfahrten
Vorbemerkungen zur Methode
Für die wissenschaftliche Untersuchung und Messung der Temperaturverhältnisse bieten sich zwei verschiedene Methoden an:
Im Fall Stuttgart wurde die zweite Methode angewandt. Eine Meßfahrt dauerte ungefähr 2 ½ bis 3 Stunden. Die Werte eines Zeitabschnitts wurde mit Hilfe von Vergleichswerten auf einen Zeitpunkt reduziert.
Die Temperaturverteilung in den einzelnen Stadtteilen
Auf den durchgeführten Meßfahrten konnten folgende Besonderheiten der Temperaturverteilung festgestellt werden:
Von den Höhenrändern zum Stadtinnern hin ist jeweils ein Anstieg der Temperatur zu beobachten. Die Isothermen markieren in auffälliger Form die Gestalt des Stuttgarter Talkessels, indem sie sich weitgehend an die Isohypsen anlehnen (Karte 1 und 2). Diese zwei Tatsachen haben ihre Ursache einmal in der geringen Höhenlage der Stadt im Innern des Kessels, zum anderen nimmt der Grad und die Dichte der Bebauung von den Randhöhen zur Innenstadt und damit der temperaturerhöhende Effekt der Stadt zu.
Die höchsten Temperaturen konnten in dem dicht verbauten, engen Stadtgebiet um die Hospitalkirche zwischen Schloßstraße, Rotebühlplatz und Königsstraße registriert werden (Karte 1 und 2). Als zweites Wärmezentrum hebt sich das Gebiet um den Leonhardsplatz, Katharinenplatz und die östlich davon liegende Altstadt ab (Karte 2).
Sehr große Temperaturgegensätze auf kleinem Raum treten im Gebiet des Hauptbahnhofes zum Schloßgarten hin auf. Die Parkanlagen zeigen bei allen Meßfahrten einen markanten Temperaturabfall auf. Am 21.10.1965 lagen die Temperaturen des Schloßgartens sogar noch tiefer als auf der nordwestlichen Randhöhe. Grund hierfür ist zum einen, daß sich der mit Gras, Büschen und Bäumen bestandene Boden zur Zeit der Einstrahlung weniger stark erwärmt und die gespeichert Wärme durch Ausstrahlung schneller wieder abgibt als die Baumaterialien der Häuser und Straßen und zum anderen, daß die Anlagen infolge der größeren Wärmespeicherkapazität des Bodens wesentlich feuchter sind. Daher wird mehr Wärme durch Verdunstung verbraucht.
Kalte Luft, die spezifisch schwerer ist als warme Luft, hat das Bestreben, sich in nicht ebenem Gelände unter wärmere Luft zu schieben. Durch nächtliche Ausstrahlung bildet sich bei gleichen Bodenverhältnissen an den Hängen überall eine in vertikaler
Richtung gleich hohe Kaltluftschicht über dem Boden. Am Hang liegen so in horizontaler Richtung gesehen warme und kältere Luft und somit Luft verschiedener Dicht nebeneinander. Durchdiesen Dichteunterschied kommt der Kaltluftfluß in Gang (vgl. R. Geiger, 1950, S.198 ff.), die Luft strömt hangabwärts in die Tiefe.
Die in den Talkessel mündenden Schneisen der Zuflüsse des Nesenbaches sind bevorzugte Leitlinien und Sammelrinnen des mit der abendlichen Abkühlung einsetzenden Kaltluftzuflusses in die Stadt. In Karte 3 sind die Leitlinien des abendlichen und nächtlichen Frischluftzustromes schematisch zusammengestellt.
Diese Kaltluftströme können durch bauliche Hindernisse gebremst oder unterbunden werden, wie man am Beispiel der Gäutalbahn sehen kann. Hier verhindern 12 m hohe Dämme den Kaltluftabfluß vom Honoldweg und der Hauptmannsreute in die Innenstadt. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Kaltluftflusses werden auch erhöht, wenn nicht allzu starke Winde die selbe Richtung einnehmen.
Vom 4. bis 10. Januar 1966 waren bei ausgesprochenem Strahlungswetter mit geringen Windgeschwindigkeiten günstige Voraussetzungen für das Fließen von Kaltluftströmen und die Ausbildung von Temperaturinversionen gegeben. Die am 6.1.1966 untersuchten Verhältnisse sind beispielhaft für diese des öfteren beobachteten Erscheinungen in den Karten 4 und 5 dargestellt.
Karte 4 zeigt die am Beginn der Untersuchung angetroffene Situation bei Windstille. Am Schnittpunkt von drei Tälern, dem Nesenbachtal selbst, dem Elsental und der Schwälblesklinge, befand sich ein Kaltluftsee mit einer Tiefsttemperatur von 9°C. In Richtung Heslach und Kaltental nahmen die Temperaturen langsam zu, erreichten jedoch im gesamten Tal nicht die auf der darüberliegenden Höhe gemessenen Temperaturen von 6 bis 5,5°C, so daß zu dieser Zeit eine eindeutige, tiefliegende Temperaturinversion in diesem Talabschnitt herrschte.
Mit Beginn der stärkeren Bebauung in Heslach, die dem Kaltluftfluß hindernd und stauend im Wege stand, stiegen die Temperaturen auf 4 bis 3,5°C an. Stauwirkung und Aufheizung brachten also den Kaltluftstrom an diesem Morgen zum Stehen.
Im Laufe des Vormittags verlagerte sich der Kaltluftsee in Richtung Heslach. Im windgeschützten Tal wurde die Luft durch Einstrahlung mehr aufgeheizt als in der Höhe. Hier setzte eine stärkere Luftbewegung ein, die eine größere Durchmischung zur Folge hatte. Bis 11 Uhr (Karte 5) war die beobachtete Aufheizung so weit fortgeschritten, daß sich die Inversion auflöste.
Recht häufig mußten Meßfahrten abgebrochen werden, da während der Fahrt ein starker Wind aufkam, der die Temperaturunterschiede verwischte. Als Beispiel einer solchen Situation seien die am 24.8.1965 untersuchten und in Karte 6 festgehaltenen Verhältnisse angeführt. Zu Beginn der Fahrt um 5 Uhr morgens herrschte bei einer Bewölkung von 7/10 Windstille. Zwischen 5 und 6 Uhr setzte ein teilweise böiger Wind ein, der die ohnehin schon geringen Temperaturunterschiede noch mehr ausglich.
Web-Autor: Ulrike Beck und MÜLLER Geoinformatik Copyright © 1998. Alle Rechte vorbehalten. Stand: 11.11.99 |
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